Alleine über Stock und Stein

by - Mai 29, 2022


Vor etwa drei Wochen schaute mein Mann drei Tage zu den Kindern und ich durfte ein paar Tage für mich geniessen. Geplant war eine 3tägige Wanderung mit einer Freundin. Leider konnte sie berufshalber nicht mitkommen. So startete ich am ersten Tag alleine und eine andere Freundin reiste mir am zweiten Tag nach.

Ich fuhr mit Zug und Postauto in den Nachbarskanton. Oh was war ich aufgeregt. Es kribbelte regelrecht in meinem Bauch, denn ich kannte weder die Wanderstrecke, noch das Hotel zum Übernachten, noch den Zielort. Normalerweise durchquert man den Berg meiner Wanderstrecke via Tunnel mit dem Auto, um in den Süden zu fahren. Vielleicht habt ihr den Seelisbergtunnel selber schon durchquert, auf dem Weg zum Gotthard. Aber ihr glaubt nicht, welches Naturparadies sich ausserhalb des Seelisberges verbirgt. 

Gestartet bin ich auf der Hauptstrasse in Beckenried ...



... vorbei an Häusern, Villen und der Kapelle St. Anna. In der Kapelle habe ich mir zwei Kerzen angezündet. Eine für meine Lieben zu Hause und eine für mich, für Unfallfreie und unvergessliche Wandertage. Die liebe Anna muss meine frommen Wünsche erhört haben. :-) Es folgten Tage und Stunden, die sich kaum in Worte fassen lassen. 




Der Anblick des Autobahn-Viaduktes war zwar wenig berauschend. Aber schon nach einer kurzen Wegstrecke liess ich das Rauschen der Autos hinter mir ...


... und tauchte in eine völlig andere Welt ein. 


Das erste Highlight erwartete mich bei der Risletenschlucht. Dort wo die Wasserfälle vom Berg Richtung Vierwaldstädtersee rauschen und mit ihrer Gischt auf mein Gesicht spritzten. 



Ein Blick zurück nach Beckenried ...


.... und ein Blick auf die Wanderstrecke Richtung Brunnen und Emmetten/Seelisberg. 



Nach der Risletenschlucht führte der Weg ein Stück steil den Wald hinauf. Später folgte eine Landschaft wie auf Postkarten. Weiden, Höfe und traumhafte Ausblicke auf den See. 


Ich zog mir die Schuhe aus und wanderte eine Weile Barfuss. Herrlich! 



Nach etwa 4 Stunden Wanderzeit, inklusive Picknick und Plauderstunde mit einem älteren Bauern, erreichte ich die Schiffstation Treib. Ich genoss auf der Terrasse des Seerestaurants einen Eistee und lauschte den Klängen aus dem Lautsprecher. Das Jodellied "Läbäsziit" passte gerade perfekt zu diesem Moment. Mir stellte es die Nackenhaare hoch ...


LEBENSZEIT

... wo komme ich her,
wo gehe ich hin.
Das ist eine Frage, die jeder sich stellt.
Wo fängt es an, wo hört es auf
und niemand weiss eine Antwort drauf. 
...
Geboren wirst du und sterben musst du,
das ist deine Zeit.
Darum geniess den Tag und mach was draus,
mach alles, was drin liegt.
Mache alles jetzt und nicht erst morgen,
denn eines Tages ist es wirklich zu spät.
Das ist der Lauf der Lebenszeit,
der eine kommt, der andere geht.
...

Wo komme ich her,
wo gehe ich hin.
Das ist eine Frage, die sich jeder stellt.
Wo fängt es an, wo hört es auf
und niemand weiss eine Antwort drauf. 
....

darum geniess den Tag und mach was draus.


 Beseelt von meinem ersten Wegstück und diesem Klangmoment, entschied ich mich spontan für eine Schifffahrt zum Rütli, der Gründungsstätte der Schweiz. Dort, wo 1291 Vertreter die Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden den Rütlibund geschworen haben, um das gemeinsame Vorgehen gegen fremde Vögte festzulegen. Ich fühlte mich Vogelfrei und einfach nur glücklich. Es war erst zwei Uhr Nachmittags und meine Batterien schienen mir noch fit genug, um vom Rütli auf den Seelisberg zu wandern, anstatt von Treib die Standseilbahn zu nehmen. 



Auf den warmen Steinmauern des Rütlis war wahrlich etwas los. Kaum eine Menschenseele, aber reges Treiben und Rascheln von unzähligen Eidechsen. Sie genossen das warme Frühlingswetter genau wie ich. 


Bald sollte ich aber richtig heiss bekommen, als ich den steilen Waldweg zum Seelisberg erklomm. Im Zickzack marschierte ich hinauf. Das Rütli unter mir wurde immer kleiner und kleiner, mein Rucksack immer schwerer und schwerer. Doch irgendwann hatte ich die fast 400 Höhenmeter überwunden und durfte dankbar mein Einzelzimmer im Gasthof Montana beziehen. 


Das Abendessen alleine einzunehmen, fühlte sich etwas sonderbar an. Mein Tisch stand direkt neben dem Stammtisch. Eine Handvoll Männer in Arbeitskleidung diskutierte heftig über Gott und die Welt. Der ein und andere war bereits bei der dritten Flasche Bier. Es wurde über Arbeitskollegen, über bargeldlose Zahlungsmittel und Überstunden diskutiert. Jeder hatte irgendeine Heldentat zu erzählen. Gottlob gab es eine Tageszeitung, hinter der ich mich pro forma verkriechen konnte. Und ich wusste nicht recht, ob ich mich amüsieren oder die Männer bemitleiden sollte. Die meisten trugen einen Ehering. Und ich dankte Gott, dass mein Mann jetzt zu Hause war und sich um die Kinder kümmerte. 

Nach dem Essen, welches übrigens vorzüglich war, ging ich zurück in mein Zimmer. Ich fühlte mich kein bisschen müde, trotz der über 10 Kilometer langen Wanderung und den rund 700 Höhenmetern die ich erklommen hatte. Als ich aus dem Fenster schaute, war der Himmel in ein warmes Licht getaucht. Ich sah nur das Nachbarshaus. Aber die warmen Sonnenstrahlen am Himmel lockten mich noch einmal ins Freie. Ich schlenderte das Strässchen hinauf, um eine kleine Siedlung herum und wurde von einem traumhaften Sonnenuntergang überrascht. Ich ging noch ein bisschen weiter, über einen Feldweg, bis ich irgendwann bei ein paar Obstbäumen und einem Stall angelangt war. 


Ich kann kaum beschreiben, wie ich mich gefühlt habe, als ich alleine dort oben stand, umrahmt von Vogelgezwitscher und Grillenzirpen, barfuss in meinen Mokassins. Die Abgeschiedenheit und der fantastische Blick auf die Sonne und den See. Ein unendliches Gefühl der Dankbarkeit durchströmte mich. Dankbar, für diesen Flecken Erde. Dankbar, für die Zeit die mir geschenkt wurde. Dankbar für den ganzen Tag und alles was ich gesehen und erlebt habe. Dankbar für mein Leben und diesen besonderen Moment. 



Nachdem sich die letzten Sonnenstrahlen hinter dem Hügel verabschiedet hatten, schlenderte ich glückstrunken zurück ins Hotel, putzte meine Zähne und sank in einen tiefen ruhigen Schlaf. 

Wie es am nächsten Tag weiter ging, erzähle ich euch in einem neuen Beitrag.

Liebe Grüsse Paula

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5 Liebe Worte

  1. Liebe Paula!
    Dankeschön für die schönen Gedanken, Worte und Fotos!
    Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung.
    Irmgard

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  2. Liebe Paula
    Gut, dass du alleine losgezogen bist. Du hast so viel Schönes erlebt und hast die Batterien wieder gefüllt für den Alltag! Der Risletenwasserfall gefällt mir sehr gut, wir haben ihn auf einer ähnlichen Wanderung besucht.
    Dir einen schönen Sonntagabend und liebe Grüessli
    Eda

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  3. hach wie schön..
    eine traumhafte Wanderung
    die Körper und Geist angesprochen hat
    wunderschöne Bilder
    und ein fantastischer Snnenuntergang
    bin gespannt wie es weiter geht
    schade dass ich nicht mehr so fit bin
    und nicht mehr weit laufen kann

    liebe Grüße
    Rosi

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  4. Liebe Paula, mir ist es gerade auch kalt den Rücken herunter gelaufen. Ich verdrehe innerlich immer die Augen, wenn an allen denk- und undenkbaren Orten mit mehr oder weniger seichter Musik beschallt werde. Aber ich sehe gerade ein, dass ich ein gehöriger Snob bin und das Jodellied alles andere als seicht ist!
    Deine Wanderung macht richtig Lust, auch wieder mal ein ein paar Tage loszuziehen.

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    1. Liebe Monika, ehrlich gesagt hat mich der Lautsprecher zuerst auch genervt. Aber als dieses Lied dann lief, dachte ich: Das muss so sein. :-)

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Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.