Kurz.ge.schich.te N°6 {Glaube}

by - Januar 14, 2019


Na das ist ja mal wieder ein Stichwort: Glaube. 



Glaubst du an Gott?
Ich sitze mit einer Freundin in einem hübschen Café. Das Haus, in dem sich das Café befindet, steht an einer viel begangenen Straße. Ich beobachte die Menschen, die vorbei gehen. Viele von ihnen kenne ich, manche persönlich, andere nur flüchtig. Eigentlich ist mein Wohnort ziemlich multikulti, denke ich, als eine Frau aus Ghana vorbei schlendert. Die Schwedinnen mit den Kinderwagen auf dem Gehsteig kenne ich auch. Auf der andern Straßenseite hastet eine Portugiesin Richtung Bahnhof. Ich glaube der Herr vor ihr, stammt aus Syrien. Da winkt mir ein Einheimischer, vor ihm spaziert eine ältere Dame aus Kolumbien.
„Glaubst du an Gott?“, fragt mich meine Freundin und holt mich aus meinen Gedanken.
„Wie bitte?“, frage ich leicht irritiert.
„Ob du an Gott glaubst?“ Wiederholt meine Freundin die Frage.
„Wie kommst du jetzt auf die Idee?“, hake ich nach.
„Keine Ahnung, ist mir einfach so eingefallen. Und, glaubst du?“
„Na du stellst heute Fragen.“ Ich überlege. „Als Kind ging ich lange Zeit jeden Sonntag in die Kirche, alleine. Betete das Vaterunser und lies mich von nichts beirren. Ich glaubte an Gott. Aber jetzt glaube ich nicht mehr an ihn.“
„Warum denn das?“
„Weil Gott mich meines Glaubens beraubt hat.“, entgegne ich leicht gereizt. Eigentlich wollte ich bloß gemütlich Kaffee trinken und mich nicht einem Glaubensbekenntnis unterziehen.
„Das verstehe ich jetzt nicht. Warum gehst du dann manchmal in die Kirche? Und warum hat er dich deines Glaubens beraubt?“ Sie lässt nicht locker.
„Als ich zwölf Jahre alt war, erkrankte mein Vater an Krebs. Sechs Monate habe ich gebetet und gehofft, dass er wieder gesund wird, obschon er stetig magerer wurde. Als er starb, konnte ich nicht länger an Gott glauben. Was ist das denn für ein Gott, der uns unseren Vater genommen hat? Meine Brüder waren gerade mal drei, sechs und neun Jahre alt. Ich hasste ihn, diesen Gott. Schwor nie mehr wieder in die Kirche zu gehen. Ich verzagte ihm meinen Glauben und meine Liebe.“
„Ui. Das ist aber heftig.“ Sie blickt mich betreten an. „Und was passierte dann?“
„Was meinst du damit?“, frage ich müde.
„Na, was hat dazu geführt, dass du doch wieder in die Kirche gehst?“
Ich schaue sie gedankenverloren an. „Gute Frage. Irgendwie blieb da stets ein Funken Hoffnung, der mich glauben ließ, dass es vielleicht doch Etwas gibt, auf das wir vertrauen dürfen. Gott mochte ich es nicht nennen, dieses Etwas.“ Ja warum gehe ich wieder in die Kirche, nicht oft, aber manchmal? „Ich habe über viele Jahre nach Antworten gesucht, in den verschiedensten Büchern. Heute glaube ich immer noch nicht an Gott. Aber ich glaube, dass es etwas gibt, dass unsere Vorstellungskraft übersteigt. Das Universum, eine Kraft... ich weiß auch nicht genau was. Irgendetwas, dass uns alle verbindet. Vielleicht ist diese Kraft auch in uns selber und ich glaube nur, dass sie ausserhalb ist. Ich glaube jedenfalls an die Kraft der positiven Gedanken und dass mich dieses Etwas unterstützt, dass meine Wünsche wahr werden. Tönt ein bisschen verrückt oder nicht?“
„Vielleicht.“
„Ich glaube aber auch, dass alles positive Denken nichts nützt, wenn es um unser Schicksal geht. Ich glaube, dass uns dieses vorherbestimmt ist. Wir können noch so vorsichtig durch die Welt gehen, noch so gesund leben, wenn unsere letzte Stunde geschlagen hat, können wir das nicht verhindern. Aber ich glaube, wir haben stets die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie wir auf die Geschehnisse in unserem Leben reagieren. Ob mit Wut, Hass, Neid oder mit Liebe und Verständnis. Und wenn ich versuche aus allem etwas Positives zu ziehen, fühle ich mich von diesem Etwas oder dem Universum unterstützt.“
„Na dann sag mir mal, was Positiv daran war, dass deine Mutter gestorben ist?“ Meine Freundin schaut mich irritiert an.
„An und für sich war es nur traurig. Dennoch gab es Momente, in denen ich mich sehr getragen fühlte von diesem Etwas. Die große Anteilnahme der Mitmenschen vor und während der Trauerfeier hat mich zum Beispiel mit tiefer Freude erfüllt, trotz der Trauer. Ich weiss, es ist widersprüchlich. Aber es hat sich so angefühlt. Es war einerseits furchtbar traurig, anderseits aber auch sehr schön. Und gerade in der Kirche habe ich dieses Zusammengehörigkeitsgefühl sehr stark wahrgenommen. Der Glaube, dass es da mehr gibt als unsere Hülle, unseren Körper, hat mir Kraft gegeben.“
„Und warum habt ihr eure Kinder taufen lassen? Ihr habt euch ja nicht vor Gott trauen lassen?“
„Aus dem gleichen Grund. Für mich hat der Segen in der Kirche, das feierliche Zusammensein und das Gelübde der Paten, etwas Magisches. Das wollte ich meinen Kindern mit auf den Lebensweg geben. Das Gefühl getragen zu sein. Ob sie nun von Gott beschützt und getragen werden oder von sonst Etwas, spielt keine Rolle. Für mich ist das Gefühl, dass ich mit diesem Segen verbinde, stärker, als der Glaube an Gott. Und sind wir ehrlich, eigentlich glaubt die ganze Welt an verschiedene Dinge. Schau dir nur all die Menschen auf der Straße an. Sie alle glauben an Etwas. Die einen an Gott, die andern an Allah, die Kinder an den Samichlaus und wir zwei, dass aus unseren Kindern einmal etwas wird. Eigentlich ist es doch egal, an was wir glauben, Hauptsache dieser Glaube unterstützt uns positiv im Leben. Und wenn es nicht so viele verschiedene Religionen gäbe, wäre es bestimmt viel friedlicher auf der Welt.“
„So habe ich mir das gar noch nie überlegt.“ Meine Freundin schaut nachdenklich aus dem Fenster.
„Manchmal bekommen wir immer und immer wieder die gleichen Stolpersteine vor die Füße geworfen. Wir können sie auf die Seite werfen, lamentieren und uns ärgern. Oder wir probieren darauf zu vertrauen, dass alles wieder gut kommt. Mein Glaube, dass wir das Schicksal nicht beeinflussen können, aber die Art wie wir darauf reagieren und meine Dankbarkeit für alles, was ich an Schönem erleben darf, schenken mir in den schlimmsten Momenten Trost.“

* * * * * 

Die Geschichte hat sich nur in meinem Kopf so abgespielt. Aber sie ist ziemlich nah an dem was ich glaube. Und an was glaubst du? Ich bin gespannt, ob jemand mitschreibt diese Woche. Ich würd mich freuen. Ansonsten wünsche ich euch viel Freude beim Mitlesen.

Liebe Grüsse Paula


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14 Liebe Worte

  1. Liebe Paula - das sind unglaublich viele wunderbare und berührende Gedanken, die den meinen sehr ähneln. An Gott glaube ich nicht, aber ich glaube an das Gute und spüre ein Vertrauen, das ich nicht mit meinem Verstand erklären kann. Unser Wissen ist so begrenzt, manchmal muss man einfach vertrauen oder glauben. Mein Schicksal in die Hände von Gott legen, möchte ich nicht. Ich möchte mein Leben, soweit wie es geht, selber lenken und vor allem, selber denken!
    heitere Grüsse Britta

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    1. Selber lenken, selber denken.
      Das gefällt mir :-) Danke fürs teilen dieses anregenden Gedankens.

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  2. Liebe Paula
    Ich schreibe dir hier, denn auf meinen Blog passt das irgenwie nicht so. Trotzdem hatte ich angesichts deiner ''Geschichte'' Lust, mir selber Gedanken darüber zu machen.
    Ich glaube an Gott. Auf jeden Fall gibt es da etwas grösseres als uns. Daran habe ich nie gezweifelt.
    In den schwierigen Zeiten vertraue ich darauf, dass er mir Kraft gibt, und in den guten Zeiten bin ich einfach nur dankbar. Ich finde nicht, dass Gott uns was schuldig ist... wir können ihn bitten, manchmal werden wir erhört. Er hat uns das grösste Geschenk überhaupt gemacht: unser Leben! Unsere Aufgabe sehe ich darin, dass wir es mit einer positiven Einstellung zu einem guten Leben machen. Dazu gehört auch, mit Schicksalsschlägen umzugehen, sie anzunehmen und trotz Trauer weiter nach vorne zu schauen. Es ist nicht ein persönlicher Angriff von Gott auf uns, weil er uns das Leben schwer machen will. Wir sind alle nur Teil eines grösseren Plans, den wir nicht kennen. Da hilft wirklich nur eine grundsätzlich positive Einstellung.
    Und das, liebe Paula, das hast du auf jeden Fall! Klar gibt es Tiefs, das gehört dazu und ist auch wichtig. Aber dann geht es wieder weiter und man kann sich entscheiden, will man sich als Opfer sehen und mit negativen Gedanken füttern oder nach vorne blicken und die guten Seiten geniessen.
    Und das kannst du!
    Ich liebe an dir deine positive, tiefgründige und kreative Art. Also bin ich Gott dankbar, dass du so bist, wie du bist, und dass du ein Teil von meinem Leben bist.
    Also wie gesagt, glaube ich definitiv an Gott oder eine höhere Macht. Aber nicht unbedingt an die Bibel und nicht an all die komischen Regeln, die Menschen in Gottes Namen aufgestellt haben. Ich glaube auch, dass wir alle an denselben Gott glauben, wie auch immer er heisst. Und wie wäre die Welt ein friedlicher Ort, ohne alle die Fundamentalisten, die glauben, nur ihrer sei der richtige...
    Bei mir würde sich also die Frage eher umgekehrt stellen. Warum glaubst du an Gott und gehst nicht in die Kirche... Dazu habe ich eine gute Erklärung im Film ''ich bin dann mal weg'' über Hape Kerkelings Jakobsweg gefunden. Er antwortet genau auf diese Frage: Ich glaube an Gott, aber das Bodenpersonal lässt zu wünschen übrig. Es sei wie wenn man einen guten Film in einer schlechten Vorführung im Dorfkino sieht. Man ist durch das flackernde Bild, die Geräusche der Nachbarn rund herum, die unbequemen Sitze etc. viel zu abgelenkt, um die Botschaft des Films zu verstehen, ihn zu geniessen. Das fand ich einen guten Vergleich. Tia das Bodenpersonal sind halt alles nur Menschen und nicht alle davon sind gut...leider. Es hat bei mir durchaus auch Momente in der Kirche gegeben, in denen ich ergriffen war, der Zauber da war. Aber oft halt auch nicht. Für mich gibt es aber den eine Priester(Thomas), der mir sehr nahe steht und aus meiner Sicht seine Aufgabe als solcher richtig verstanden hat. Aber ich gehe eigentlich nur noch zu Hochzeiten und Beerdigungen in die Kirche. Wenn diese von einem Priester mit Herz gemacht werden und es persönlich gestaltet wird, sind beides schöne Anlässe. Und wie du sagst, kann einem eine Beerdigung ganz viel geben. Sowohl als nächster Angehöriger, der dann die Unterstützung und Anteilnahme vieler Mitmenschen erfahren darf, als auch als jemand der die Person nicht so gut gekannt hat und auf eine würdige Weise Abschied nehmen kann.
    Danke dir für deine Geschichte, die mich wieder mal über meine Einstellung nachdenken liess!

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    1. Liebe Moni, danke für deine lieben und offenen Worte. Wir ticken ja ziemlich ähnlich :-) Und wenn alle Priester wie Pater Thomas wären, ginge ich bestimmt öfters in die Kirche. ;-)

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  3. Ach ja und ich würde wirklich gerne bald mal mit dir in diese Kaffee sitzen und einfach einen Tee geniessen, ohne fundamentale Fragen zu diskutieren ;-) vielleicht finden wir zwei Mamis ja mal Zeit dafür

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  4. Liebe Paula,
    das ist ja eine schöne Aktion.
    Jede Woche über ein Thema.
    Glauben... ja, ich glaube an gewisse Sachen, auch an Gott, aber dafür muss ich nicht jeden Sonntag die Kirche besuchen.
    Noch mehr glaube ich an Schutzengel. Und an die Kraft der kleinen Kerzen in der Kirche.
    Mal schauen, ob ich bei Dir auch mal mitmache, hört sich interessant an.
    Lieben Gruß
    Nicole

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    1. Liebe Nicole, ich würd mich freuen, wenn du auch mal dabei bist. Es müssen keine literarischen Kunstwerke sein. Ich habe einfach Freude am Schreiben und so enstand die Idee dieser Challenge.

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  5. Liebe Paula,
    ich bin auch nicht gläubig,denn gäbe
    es einen Gott,würde es wohl nicht so viel Unheil und Kriege geben auf Erden.
    Mein Vater ist auch unheilbar krank und hat auch sonst körperliche Probleme.
    Das macht mich wütend und traurig zugleich.
    Ich glaube aber an das Gute im Menschen und auch manchmal an Wunder.
    Mein Sohn zündet sogar jedes Mal,wenn wir eine Kirche betreten,eine Kerze an.
    Ich mag den Geruch und die Architektur sowie die Kunstwerke und Handwerkskunst in Kirchen.
    Hab noch einen schönen Abend!
    GGLG Kristin

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    1. Mich faszinieren Kirchen seit jeher. Auch im Ausland besuche ich die Gebäude manchmal. In Wales waren wir in einer Kathedrale, die mir zwar vom Stil nicht gefiel. Aber sie hatte dennoch etwas Erhabenes. Als dort drin das abentliche Gebet von einem Chor gesungen wurde, ging es mir durch March und Bein. Es war einfach nur magisch.

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  6. Liebe Paula, das hast du wieder so treffend geschrieben! In vielem finde ich meine Überzeugungen wieder. Nur mit der Kirche kann ich so rein gar nichts mehr anfangen. Zu belastet ist mir deren Vergangenheit und auch die Gegenwart. Da glaube ich doch lieber an die Liebe, an das Gute, an die Weisheit der Natur... Mein Sohn hat eine Zeitlang erzählt, er sei Gott. Damals habe ich mir fast ein wenig Sorgen um ihn gemacht. Aber heute glaube ich, er hat recht! In jedem von uns ist etwas Göttliches.
    ♥ Monika

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    1. Ich glaube auch, dass wir alle etwas Göttliches in uns haben.

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  7. Deinen Text zu einem schwierigen Thema habe ich gestern schon vor dem Einschlafen gelesen, aber keine Kraft mehr zu Kommentieren gehabt. Und heute Morgen habe ich dann bei Frau Mo gelesen, da musste ich endlich auch dir schreiben. Ihr habt nämlich dieses schwierige Thema gut in Worte und Bilder gefasst ( verzeih die ehemalige Deutschlehrerin ).
    Ichselbst mag nämlich irgendwie nicht mehr, das schreiben, habe ich mich doch schon fast mein ganzes Leben lang dazu geschrieben & geäußert ( auch im Blog ).
    Belasten tut es mich, wenn ich an meine Enkel und ihre Erfahrungen mit Gott & dem Glauben denke: Da ist nach wie vor so viel Druck, Angstmacherei, Werterei, dass mir angst & bange wird. Glaube im Sinne von Religion & Kirche wird immer wieder als Machtmittel gebraucht, egal, welches "Gesangbuch":
    Gerade hat mein ältester Enkel mir gesagt, dass er seinen Glauben verloren hat und ihn wohl nicht wiedererlangen wird, nach dem, was er ihm Konfi- Unterricht erfahren und erlebt hat. Die Glaubensverkünder können es einfach nicht, da hat Moni mit dem Filzitat den Nagel auf den Kopf getroffen.
    Dabei ist Spiritualität etwas, dass der Mensch eigentlich braucht. Dass da etwas Größeres ist als man selbst und die Welt, das spür ja auch ich manches Mal...

    Alles Gute!
    Astrid

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    1. Ja manch einer missbraucht dieses Göttliche unter dem Vorwand, etwas Besseres zu sein. Die Religionen, die Politiker und teilweise auch die Kirche. Aber das gab es schon immer und wird es wohl immer geben. Ich selbst glaube seit jeher an das Gute in den Menschen und in der Welt. Und ich glaube, dass liebevolle Gedanken diese Gute unterstützen.
      Danke für deine Worte

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Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.