Kurz.ge.schich.te N°7 {Zukunft}

by - Januar 21, 2019




Die heutige Geschichte zum Thema Zukunft ist frei erfunden. Könnte sich aber so abspielen, wenn der Fortschritt der Technik so rasant weiter geht. Ich werde, so Gott will, zum Zeitpunkt der Geschichte, 85jährig sein. Werde ich dem Fortschrift gewachsen sein, wo ich den Kontakt mit Menschen über alles liebe?



Abhängig
7.42 Uhr. Alisha wird von ihrer virtuellen Fee Jenny sanft aus dem Schlaf geholt. Die Aufzeichnungen in Alishas Armbanduhr sorgen dafür, dass sie zu ihrem körperlich perfekten Zeitpunkt geweckt wird. Niemals aus dem Tiefschlaf, das wäre ungünstig für ihre Gesundheit. Jenny lässt die Verdunkelung an den Fenstern hochfahren. Warmes Sonnenlicht durchflutet den Raum. Alisha erhebt sich aus dem Bett und begibt sich ins Bad. Sie tippt mit dem Finger an den Spiegel, welcher sogleich das Gesicht scannt und die passenden Pflegeprodukte aus dem Kästchen reicht. „Guten Morgen Alisha. Es ist Donnerstag, der 24. Juli 2059. Du hast hervorragend geschlafen und siehst wunderbar aus.", ertönt die Computerstimme des Spiegels. Während Alisha sich das Gesicht wäscht und die Crème aufträgt, erscheinen auf dem Spiegel alle wichtigen Daten des Tages. Benötigte Kalorien und Vitamine, Menüplan, sowie das Fitnessprogramm. Die gescannten Daten ihrer Haut werden unterdessen an den Kleiderschrank weitergeleitet, welcher das perfekte Outfit, passend zu Alishas Teint, zusammenstellt.
Alisha geht hinüber zum Ankleidezimmer, zieht sich die vorbereiteten Kleider an und schlendert in die Küche. Der Küchenroboter  hat bereits das Frühstück vorbereitet. Der Duft von frischen Croissants und Kaffee zieht durch den Flur. Alisha setzt sich an den Glastisch im Esszimmer, auf welchem das aktuelle Weltgeschehen im Touchscreen erscheint. Der Küchenroboter serviert das Frühstück. Herby, der Hausroboter, erledigt unterdessen die Wäsche, die Reinigung der Wohnung und die Bestellung der Einkäufe. Hobots reinigen die Fenster. Jenny hat eine Liste aller fehlenden Artikel im Haushalt zusammen gestellt und sie an Herby weitergeleitet.
Nachdem Frühstück unternimmt Alisha einen Spaziergang durch den Pavillon, um zu sehen, wie das Gemüse in Hydrokultur gedeiht. Das Haus, in dem Alisha lebt, wird autark, mit Solarstrom und Erdwärme betrieben.
Da im Haus alles wie am Schnürchen, beziehungsweise wie am Roboter läuft, beschließt Alisha in den Friseursalon zu gehen. Sie bittet ihre virtuelle Fee Jenny, einen Termin zu reservieren und ein selbst fahrendes Taxi zu bestellen. Zehn Minuten später steigt Alisha ins Taxi und flitzt zum Wellnesscenter, in dem sich der automatisch betriebene Haarsalon befindet. Nachdem Gesichtsscan am Empfangstresen, wählt sie einer der vorgeschlagenen Frisuren, entscheidet sich für ein farbliches Extra und zahlt mit Fingerscan den errechneten Betrag. Dann begibt sie sich in Box Nummer vier. Per Stimmerkennung wählt sie Hintergrundgrundmusik und bestellt einen Chai Latte. Sie lehnt sich zufrieden zurück. Der Friseurroboter wäscht ihr die Haare und trägt die gewünschte Haarfarbe auf. Sie genießt es in vollen Zügen. 

Dann, ein sonderbares Geräusch. Es zischt. Es knirscht. Der Roboter fängt an zu blinken. Rauch steigt aus seinem Gehäuse auf. Das Licht geht aus. Es ist stockdunkel in der Box. Alisha bekommt Angst. „Jenny?", erkundigt sie sich nach ihrer virtuellen Freundin. „Jenny?" Aber Jenny gibt keine Antwort. Von außen sind Stimmen zu vernehmen. Das müssen die anderen Kunden sein. Das Gefühl in der dunklen Box ist beengend und ungemütlich. Vorsichtig öffnet sie die Tür. Draußen ist es ebenfalls dunkel. Sie hört Stimmengewirr. Alle reden durcheinander. Der Salon hat keine Fenster, er befindet sich im Untergeschoss des Wellnesscenters. Alisha greift nach ihrer Armbanduhr. Das Display erleuchtet, aber zu schwach, um als Lampe zu dienen. Sie harrt eine Weile aus, bevor sie wagt, sich im Dunkeln nach draußen zu tasten. Sie hält es nicht länger aus hier drinnen. Mit dem Rücken zur Wand geht sie Zentimeter um Zentimeter vorwärts. Sie verhält sich leise, schleicht wie eine Maus auf Zehenspitzen Richtung Ausgang. Sie will nicht bemerkt werden. Sie hat panische Angst. Schritt für Schritt schleicht sie vorwärts. Sie spürt den Schweiß auf der Haut, an der Stirn und den Achselhöhlen. Sie fühlt sich schwach. Aber sie will nicht umkehren. Sie will nach draußen, ans Tageslicht. Gottlob ist sie mehrmals die Woche im Center und kennt den Weg fast im Schlaf. Kurze Zeit später erreicht sie den Ausgang. Erleichterung macht sich breit. Dann vernimmt sie Männerstimmen. Sie schnappt Wortfetzen auf. „.... ein Black ... „....all?" „.... out." Was kann das bedeuten? Sie versucht wieder, mit Jenny zu kommunizieren. Vergebens. Jenny gibt keine Antwort. Wie komme ich bloß nach Hause? Alisha kennt den Weg nicht. Seit sie in die Zukunftsstraße in Dübendorf gezogen ist, war sie nur mit dem Taxi unterwegs.
Dann hört sie Schritte. Jemand kommt  in ihre Richtung. Alisha ringt nach Fassung. Sie will cool aussehen. Niemand soll merken, dass ihr der Schrecken in den Knochen steckt. Sie macht Atemübungen, so wie Jenny es jeden Tag mit ihr übt. Ein, aus, ein, aus. Die Geräusche kommen näher. Innerlich versteinert, äußerlich so locker wie möglich, lehnt Alisha an der Hauswand. Zwei Kinder kommen um die Hausecke und bleiben erschrocken stehen. Sie schauen Alisha mit weit aufgerissen Augen an und rennen schreiend los.
Alisha, die ihre undefinierbare Farbe auf dem Kopf längst vergessen hat, kann nicht ahnen, was für einen Anblick ihr Aussehen bietet. Sie ruft wieder nach Jenny. Vergebens. Sie denkt fieberhaft darüber nach, wie sie sich aus der misslichen Lage befreien könnte, als plötzlich eine ältere Dame vor ihr steht. „Alles okay, junge Dame? Sie sehen etwas mitgenommen aus. Ich möchte fast sagen leicht ausserirdisch." Die ältere Dame schaut Alisha mitfühlend an. „Ich weiss.... ich weiss nicht", stammelt Alisha. „Ja was denn nun?", fragt die ältere Frau. „Ich weiss nicht, wie ich nach Hause komme", bringt Alisha mühsam hervor. „Ich habe Jenny verloren.", ergänzt sie kleinlaut. „Ihre Freundin?", hakt die Dame nach. „Ja. Sozusagen. Meine virtuelle Freundin." „Ja da können sie lange warten. Es gab einen landesweiten Stromausfall. Da wird es wohl eine Weile dauern, bis die liebe Jenny wieder erscheint." „Ein Blackout?", krächzte Alisha voll Entsetzen. „Ja, so nennt man das glaube ich auf Neudeutsch.", entgegnet die Dame amüsiert. „Und wie komme ich jetzt nach Hause?", fragt Alisha verzweifelt.
„Ich schlage vor, indem sie ihr Hirn einschalten und ihre Füsse benützen." Die Dame im grauen Haar entfernt sich kopfschüttelnd.

* * * * *



Eine TV Sendung über die Zukunft mit Robotern, hat mich für diese Short Story beflügelt. Ein Leben, welches ich mir so nicht vorstellen kann, obschon ich mir im Haushalt eine gewisse Hilfeleistung ausmale. Vor 16 Jahren erzählte mir ein Bekannter, er tüftle an einem Roboter für Museumsführungen. Das konnte ich mir damals auch nicht vorstellen. Heute sind die virtuellen Führer in Museen und Städten bereits weit verbreitet. (Allerdings waren andere schneller im Tüfteln als mein Bekannter) Sind wir also gespannt, was in den nächsten Jahren noch auf uns zu kommt. Meine Sorge gilt der Verblödung der Menschheit. Dass wir soweit abhängig werden von Robotern, dass wir verlernen unseren gesunden Menschenverstand einzuschalten. Allerdings gibt es Hoffnung für den kreativen Teil in uns.  In dieser Hinsicht ist unser Hirn ein Wunder, dass kaum von Robotern übernommen werden kann. Aber dass Roboter ausser Kontrolle geraten, zum Beispiel beim Einsatz für Kriegszwecke, darüber mache ich mir schon so meine Gedanken. Was denkst Du darüber?

Liebe Grüsse Paula

P.S. Die Legoroboter hat unser Sohn unabhängig von meiner Story gebaut und ich durfte sie freundlicherweise für meinen Beitrag ablichten. :-)


Inlinkz Link Party

You May Also Like

3 Liebe Worte

  1. Liebe Paula, beim Lesen deiner tollen Zukunftsgeschichte ist mir wieder eine schwedische Serie eingefallen, die mich vor ein paar Jahren begeistert hat 'Real Humans' handelt in einer Gesellschaft in der Roboter so weit entwickelt sind, dass sie nicht nur aussehen wie Menschen sondern auch zunehmend Gefühle entwickeln. Es ist eine Zweiklassengesellschaft und wer sich nicht einordnen will/kann, wird ausgegrenzt oder sogar verfolgt. Hochspannend!
    Deine Bedenken bezüglich Verdummung und der emotionalen Abgestumpftheit sind ja nicht unbegründet. Man sehe nur, was für unglaublich dumme Geschichten uns täglich über den grossen Teich erreichen... Aber ich mag lieber darauf vertrauen, dass das Gesunde, Vernünftige, Kreative, Mitfühlende... irgendwann wieder mehrheitsfähig werden. Auch im Sinne meiner Geschichte zu deinem Thema ;-)
    ♥ Monika

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Monika, was habe ich mich gefreut über deine Zukunft zu lesen. ❤️ Da bin ich ja gespannt was bei dir zum freudigen Ereignis alles unter der Maschine hervorhüpft ;-)
      Auf eine liebevolle, herzerwärmende und kreative Zukunft!

      Löschen
  2. Liebe Paula,
    och ja,so ein Herby wäre ab und an nicht schlecht :)
    Allerdings halte ich allein schon von den Saugrobotern nicht viel.
    Da staubsauge ich doch viel lieber selbst.Das mache ich nämlich gern.
    Tja,aber wenn der Strom ausfällt,dann sieht es wirklich zappenduster aus für die Zukunft.
    Finde auch schlimm,daß man sich immer weniger selbst betätigen muss und auch Arbeitskräfte durch Roboter ersetzt werden.
    Mache mir da auch so meine Gedanken...
    Trotzdem eine tolle und zum nachdenken anregende Geschichte!
    Sei ganz lieb gegrüßt von
    Kristin

    AntwortenLöschen

Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.