Kurz.ge.schich.te No°15 {Bahnhof}

by - März 18, 2019


Hey ihr Lieben. Heute gibt es wieder mal eine wahre Geschichte. Eine Episode aus meinem Leben, in der ich auch aufgebrochen bin, zu meinem ersten grossen Abenteuer. 



Zum ersten Mal
29.8.1993. Liebes Tagebuch, ich bin ja so etwas von aufgeregt. Ich sitze in einem SBB Zug nach Genf und unternehme meine erste grosse Reise. Alleine, ohne Familie oder Freunde. Ich fühle mich sehr Erwachsen, obwohl ich erst im Februar Volljährig werde. Und frei. Frei wie ein Vogel. Vier Monate ohne meine nervenden Brüder liegen vor mir. Juhee! Mein Ziel heisst Cannes. Cannes, wenn ich dieses Wort auf der Zunge zergehen lassen, komme ich ins Schwärmen. Ich denke ans Meer, Palmen, Sonne, Wärme und Filmstars. Ich werde das erste Mal in meinem Leben das Meer sehen. Wie es wohl aussieht und riecht? Vielleicht werde ich ja sogar Kevin Costner oder Julia Roberts sehen. Das Filmfestival fand zwar im Mai statt, aber man weiss ja nie. Träumen kann man ja. 
Im Moment kribbelt es heftig in meinem Bauch, denn ich werde nicht nur zum ersten Mal das Meer sehen, sondern auch das erste Mal fliegen. Mit einem richtigen Flugzeug. Dabei habe ich noch nicht mal ein Flugticket. Dieses wartet, so hoffe ich, am Bahnhof Genf auf mich. Zusammen mit einer unbekannten Frau, die das Ticket für mich gekauft hat. Ich habe sie über die Buchungsstelle der Sprachschule kennen gelernt. Ich habe dort angerufen und nachgefragt, ob sie mir ein paar Namen von anderen Schweizern angeben könnten, die ebenfalls das Collège in Cannes besuchen werden. So habe ich Ariane kennen gelernt. Das heisst, ich kenne sie ja nicht wirklich, wir haben nur ein zwei Mal telefoniert. Ich habe sie gefragt, ob sie Lust hätte, mit mir nach Frankreich zu reisen, damit ich nicht alleine für zwölf Stunden im Zug sitzen muss. Sie erzählte mir dann, dass sie nicht mit dem Zug, sondern mit dem Flugzeug nach Nizza reisen werde und von dort mit einem Bus nach Cannes. Ich solle doch mitkommen. Das überstieg erstmal meine Vorstellungskraft. Wo bucht man denn so einen Flug und was kostet das überhaupt? Sie bot mir an, ihr Vater könnte im Reisebüro einen zweiten Platz für mich reservieren. Mutig sagte ich zu und überwies ihnen das Geld. Dreihundert Franken hat das Ticket gekostet.
Tja und nun sitze ich hier in diesem ratternden Zug und warte gebannt auf die Ankunft in Genf.  Was mache ich, wenn diese Ariane nicht dort steht oder wenn ich sie nicht finde? Ach, daran will ich lieber nicht denken.

30.8.1993. Liebes Tagebuch. Ich habe es geschafft. Ich habe mein Ziel erreicht. Ariane stand mit ihrem Vater am Bahnsteig in Genf, in der Hand ein Stück Karton, auf dem mein Name geschrieben war. Du glaubst nicht, wie erleichtert ich war, sie dort zu sehen. Vor Aufregung habe ich Ariane den ganzen Flug über vollgequatscht und dabei vergessen meinen Lunch zu essen. Aber jetzt bin ich hier, an der Côte d'Azur. Das Meer habe ich bereits gesehen. Diese Weite ist ja unglaublich. Vom Strand erzähle ich dir aber lieber nicht zu viel. Nix mit Palmen. Und die angrenzende Strasse, an der ständig Autos vorbeidüsen, lasse ich auch lieber unerwähnt. Aber das Collège ist toll. Und ich bin gespannt, was ich hier alles lernen und erleben werde. Nun muss ich mich aber erst Mal schlau machen, wo sich die Telefone befinden und mir Kleingeld besorgen, um zu Hause Bescheid zu geben, dass ich gut angekommen bin.


* * * * *

Es ist doch irgendwie verrückt, wie sich die Zeit verändert hat. Heute bucht man einen Flug für ein paar läppische Franken im Internet, gibt per Whatts app im Stundentakt Bescheid, wo man sich gerade befindet, oder dass man ein paar Minuten später kommen wird. Telefonzellen sind Geschichte und man muss nicht mehr befürchten, der Anruf könnte abrupt enden, weil der gierige Münzzähler bereits alles Kleingeld verschluckt hat. Man braucht auch nicht nach Namen und Telefonnummern von fremden Menschen zu fragen, denn die würde man wegen des Datenschutzes niemals bekommen. Und es hätte wohl kaum jemand den Mut, einer wildfremden Person dreihundert Franken zu überweisen und darauf zu hoffen, dass dieser Mensch mit einem Flugticket am Bahnhof warten wird. In Anbetracht all dieser Veränderungen, erfüllt es mich mit Stolz, dass ich diese erste grosse Reise so abenteuerlich und alleine geschafft habe. Kevin Costner und Julia Roberts habe ich natürlich nicht getroffen, obschon ich das in meiner jugendlichen Naivität im Ernst gehofft hatte. Träumen kann man ja. Aber ich habe mir damals in einem Fotogeschäft in Cannes ein überteuertes Foto von Kevin Costner gekauft, es über lange Zeit über meinem Bett aufgehängt und mir eingebildet, ich sei ihm tatsächlich begegnet. :-) Träumen kann man ja. ;-)

 Ich wünsche euch eine schöne Woche.

Liebe Grüsse Paula


*Werbung unbezahlt da Orts- und Namensnennung

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2 Liebe Worte

  1. Liebe Paula,
    ich bewundere deinen Mut,den du damals gehabt hast und so weit gereist bist in die Ferne!
    Hätte ich mir wohl nie getraut...
    Ja,heutzutage wäre das nicht mehr ganz so einfach in mancher Hinsicht.
    Hab noch einen schönen Abend!
    GGLG Kristin

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  2. Liebe Paula, ich wäre gestorben vor Angst. So weit weg! Fliegen! Und dann erst noch nach Frankreich! Ich glaube ich wäre eher nach Neuseeland oder an den Nordpol gereist als in ein Land in dem man französisch spricht ;-)
    Wie üblich habe ich es mit dem Verlinken nur halb geschafft. Bist du wieder so lieb...?
    Herzlich, Monika

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Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.