Kurz.ge.schich.te No°21 {Tür}
Guten Morgen ihr Lieben
Seid ihr gut in den Winter gestartet? Also echt jetzt, auf Schnee haben wir wirklich keine Lust mehr, obschon ich ihn liebe. Die Landschaft liegt unter einer dichten weissen Decke und es flöckelt, so wie wir uns das im Dezember wünschen würden. Aber ich will nicht jammern, ich will euch eine Geschichte erzählen, eine Tür Geschichte.
Endlich
Das lange Warten hat ein Ende. Es geht endlich los. Die Wehen haben eingesetzt. Vor zwölf Tagen strich der errechnete Termin sang und klanglos vorbei, ohne dass es irgend welche Anzeichen auf eine Ankunft gegeben hätte. Was bin ich rumgelaufen in dieser Zeit. Alle Bergbahnen des Tals bin ich raufgefahren und die steilsten Wanderwege wieder runter gelaufen. Soll ja angeblich etwas bringen, dieses runter laufen. Nur bei mir nicht. Ich vertrieb mir die Zeit mit Laufen, Warten, Schlafen, Essen, Laufen, Warten, Schlafen, Essen. Manchmal kam ich mir vor wie "Täglich grüsst das Murmeltier", denn geschlafen habe ich die letzten Wochen tief und fest. Aber damit ist jetzt Schluss. Wir haben soeben die Drehtür des Spitals passiert und warten auf den Lift. Die Tür geht auf, wir treten in den grell erleuchteten Raum, als mich eine weitere Wehe überkommt. Die Finger fest um den Handlauf gekrümmt, beuge ich mich vornüber und schnaufe tief ein und aus. Also der Lift im ersten Stock ankommt, ist die Wehe bereits vorbei. Wir treten auf den Gang und machen uns auf den Weg zur Geburtsabteilung. Sie ist durch eine Glastür zu erreichen. Die Hebamme erwartet uns bereits mit einem freudigen Lachen. Eine Ärztin tritt aus einer der angrenzenden Türen und begrüsst mich freundlich. "Sie glauben gar nicht wie froh wir sind, dass sie endlich da sind.", meint sie grinsend. "Ja ich auch.", entgegne ich schmunzelnd. Und das bin ich tatsächlich. Heute wäre die Geburt künstlich eingeleitet worden. Auf Rat der Hebamme habe ich gestern Abend einen wirklich abscheulich und scheusslich schmeckenden Rizinus Cocktail getrunken. Und meine Freundin hat mir eine Fussreflexzonen Massage gemacht.
Zusammen mit der Hebamme betreten wir den Geburtsraum. Die Wehen kommen in regelmässigen, immer kürzeren Abständen. Dazwischen fühle ich mich top fit. Wenigstens dafür war das viele Laufen vielleicht gut.
Irgendwann geht alles sehr schnell. Sechseinhalb Stunden später liegt unser neugeborener Sohn als kleines nacktes Bündel auf meiner Brust und ich kann mein Glück kaum fassen. So viel Wunder. Schon nach wenigen Minuten ist der ganze Geburtskrampf vergessen. Bei mir zumindest. Mein Mann schaut aus der Wäsche, als hätte er das Kind selbst zur Welt gebracht. Er meinte Kaiserschnitt wäre doch sicher viel angenehmer gewesen. Überströmt von Glücksgefühlen machen meine Hormone Purzelbäume. Ich versichere ihm, dass es weniger schlimm war, als es wohl ausgesehen hat.
Am späteren Nachmittag werde ich in mein Zimmer verlegt, zusammen mit einer anderen Frau. Gegen Abend versenden wir die ersten SMS und überraschen unsere Freunde und Familie mit der frohen Botschaft.
Der nächste Tag beschert mir weitere Glücksgefühle. Ich könnte die ganze Welt umarmen. Vor allem aber meinen Mann und den kleinen Zwerg. Nachmittags geht die Zimmertür auf und zu. Die Besucher kommen in Scharen, alle wollen ihn sehen, den kleinen Stammhalter. Sie geben sich von ein Uhr Mittags bis acht Uhr Abends die Türklinke in die Hand. Und ich? Ich bin irgendwann einfach nur noch erschöpft, ausgelaugt, müde und kaputt. Mag keinen mehr sehen. Aber dies scheint niemand zu merken. Da tritt die Hebamme wie ein Anker in der Not durch die Tür. Sie merkt sofort was hier los und schickt alle aus dem Zimmer. Sie sieht mir an, dass ich dringend Ruhe brauche. Was bin ich froh, als die letzten zur Tür raus sind.
* * * * *
Dieses Erlebnis liegt bald zehn Jahre zurück. Es hat mich gelehrt dafür einzustehen, nein zu sagen, wenn ich Ruhe brauche. Andere Schwangere zu ermuntern, die ersten Tage nach der Geburt für sich zu geniessen und den Besuch selbst zu dossieren. Es wird niemand böse, wenn man die Neuankömmlinge ein paar Tage "nur" als Familie geniesst und kennen lernt. Beim zweiten Kind klappte es deutlich besser. Und wer mehr Kinder hat, hat vielleicht sogar die Erfahrung gemacht, dass die Anzahl Besucher mit jedem Kind abnehmen.
Als ich mich entschloss, zum Thema Tür dieses Erlebnis aufzuschreiben, wurde mir bewusst, durch wie viele Türen wir tagtäglich in unserem Leben gehen. Da fiel mir ein Spruch ein, den ich mir manchmal ins Wohnzimmer hänge.
Ich wünsche euch eine schöne Woche.
liebe Grüsse Paula
2 Liebe Worte
Oh ja ich kann mich an jede Geburt erinnern als ob es Gestern war. Ich weiß genau was Du beschreibst. Nicht zu fassen das die süßen Kleinen schon so groß sind :))
AntwortenLöschenLG heidi
Liebe Paula,
AntwortenLöschenich kann mich auch noch sehr gut an die Geburt meines Sohnes erinnern und die Glücksgefühle kann man wirklich nicht in Worten beschreiben,die einen danach überkommen!
Aber ganz so schnell ging es bei uns nicht voran,damals vor fast 11 Jahren.
Die Besucher kamen auch schön der Reihe nach und nicht geballt.
Ganz so entspannt war ich Zuhause dann aber leider nicht und wurde krank.Heute wäre ich da um einiges schlauer!
Ganz liebe Montagsgrüße von
Kristin
Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.