Kurz.ge.schich.te No°40 {Gestirne}

by - November 01, 2020

 Vor kurzem habe ich euch von meinem Buchprojekt erzählt. Von all den Episoden und Gedanken aus dem Lockdown, die ich geschrieben habe. Neulich Abend, nach dem der Bundesrat die verschärften Massnahmen bekanntgab, habe ich in meinen Geschichten geblättert und ein paar davon gelesen. Erst habe ich gedacht, dass wir bald wieder in der Situation des Lockdowns sind. Aber beim Lesen der Zeilen wurde mir bewusst, wie sehr sich die Situation seit dem Frühjahr verändert hat. Die meisten Situationen sind für uns nicht mehr neu. Heisst nicht, dass sie jetzt einfacher sind, aber sie haben, zumindest für mich, an Bedrohlichkeit verloren, weil wir etwas ähnliches schon erlebt haben. Die Angst und die Unsicherheit ist in Müdigkeit übergeschwappt. Alle haben langsam genug von Abstand halten und einschränkenden Massnahmen. Dennoch müssen wir vermutlich noch eine Weile damit leben. In unserem Umfeld gab es die letzten Wochen ziemlich viele Menschen, welche an Covid erkrankt sind. Auch solche, die eigentlich im höchsten Grade zu den Risikopatienten gehören. Dennoch hatten die meisten von ihnen einen milden oder nicht lebensbedrohlichen Verlauf. Ich gebe zu, da ist auch bei mir wieder die Frage aufgetaucht, ob die einschneidenden Massnahmen wirklich nötig sind. Ob es nötig ist, die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzten. Ihre Seelen an Einsamkeit leiden zu lassen. Dabei möchte ich so gerne, dass die Menschen hoffnungsvoll bleiben, trotz allem. Ich habe da die ein an und andere Idee, die ich die nächsten Wochen mit euch teilen möchte. Ideen, wie man zum Beispiel alleinstehenden Menschen eine Freude bereiten könnte. Aber heute teile ich eine Geschichte aus meinem Buchprojekt mit euch. Der Dialog ist aus Gedankensprüngen entstanden, zu der Zeit, als die verrücktesten Theorien die Runde machten, auf welchem Weg das Virus zu uns gekommen ist. Gute Unterhaltung beim Lesen.


Gestirne

21. April 2020

Der Himmel leuchtete wolkenlos über dem Firmament. Der Mond blickte zur Erde und stellte erstaunt fest, wie relaxed diese aussah. Er erkundigte sich, warum sie so unbeschwert sei. 

«Ich entspanne mich», gab die Erde lächelnd zur Antwort.

«Du entspannst dich? Warum?»

«Weil die Menschen wie zahme Katzen zu Hause sitzen und mich für eine Weile ruhen lassen.»

«Warum denn?», wollte der Mond wissen.

«Ich habe ihnen ein unsichtbares Virus geschickt. Sie werden eine Weile damit beschäftigt sein, es aufzuspüren und einzudämmen. Schau, sie haben alles dicht gemacht. Sie haben Angst daran zu sterben, aber sie haben keine Angst an ihren vergifteten Lebensmitteln zu sterben!»

«Wie meinst du das?»

«Ich habe ihnen alles gegeben, was sie zum Leben brauchen. Fruchtbare Böden, saubere Luft, sauberes Wasser und eine fantastische Tier- und Pflanzenwelt. Aber in den letzten Jahrzehnten wurden die Menschen immer gieriger. Sie erstrebten immer mehr. Sie vergifteten meine Felder, um höhere Erträge zu erzielen. Sie werfen tonnenweise Lebensmittel weg, die nicht ihrer Norm entsprechen. Sie vermüllen meine Meere mit Plastik. Sie transportieren ihre Güter quer über den Globus, zu Lasten von Mensch und Umwelt. Sie jetten rund um meine Kugel oder tuckern mit Dreckschleudern, so gross wie Wohnblöcke, über meine Ozeane. Sie wollen immer mehr, immer weiter und immer schneller.»

Die Erde erzählte eine Weile von ihrem Kummer und ihrem pulsierenden Herz. Sie schilderte ihre Ängste, aber auch ihre Hoffnungen. Sie erzählte von ihren Visionen, dass die Menschen wieder acht geben, auf sich, die Natur und ihre Mitmenschen. Sie erzählte von ihren Träumen einer nachhaltigen Lebensweise, die regional ausgerichtet ist. Der Hoffnung, dass die Menschen wieder Sorge tragen zu ihrem Erbgut.

«Und wenn sie es nicht auf die Reihe kriegen?», fragte der Mond.

«Dann weiss ich nicht, wie lange mein geschändetes Herz noch schlägt. Meine Wunden sind gross. Wenn die Menschen ihnen noch mehr Leid zufügen, mich weiter zupflastern, vergiften, abbrennen und ausbeuten, wird meine Kraft weiter schwinden. Sie haben meine Regenerationsfähigkeit, welche mich über Jahrmillionen am Leben erhalten hat, empfindlich gestört.»

«Und warum sehen oder merken die Menschen deine Not nicht?», fragte der Mond.

«Der Wohlstand hat sie blind gemacht. Blind, taub und gierig. Was ihnen überdrüssig ist, entsorgen sie und kaufen sich neue Güter. Sie haben vergessen, mit sich und der Natur zufrieden zu sein.»

«Aber wenn sie dich zerstören, zerstören sie doch auch sich selbst?», meinte der Mond traurig.

«Ja. Aber das haben sie nicht begriffen. Ich werde sie überleben. Aber meine Wunden werden sich über ihre legen und sie unter ihrer Gier ersticken.»

«Wie denn?»

«Stürme, Feuer, Wasser und Felsen werden sie begraben.»

Der Mond schaute die Erde traurig an und meinte aufmunternd: «Ich werde immer an deiner Seite sein. Egal was passiert.»

Die beiden zogen weiter ihre Runden, in der Hoffnung auf bessere Zeiten.
Genauso wie die Menschen im Lockdown.

* * * * * 

Herzliche Grüsse Paula

Einer der mich mit seinen Gedankensprüngen und seinem Humor immer wieder zum Lachen bringt in dieser verrückten Zeit, ist Tom Gisler von Radio SRF mit seinen Gizzle Shizzle Beiträgen. Selbst in der grössten Verzweiflung hat er es immer wieder geschafft, mich aufzuheitern. Leider nur in Schweizerdeutsch. 


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