Kurz.ge.schich.te No°16 {Innenhof}

by - März 25, 2019




Innenhof
Sie sass bequem in ihrem alten Sessel und schaute verträumt in den Garten. Gerbera, Margeriten und Rosen blühten um die Wette. Bienen summten durch die Luft und labten sich am Nektar der Blumenpracht. Ein Zitronenfalterpaar tanzte im Sonnenlicht. Sie stand auf, ging nach draussen und tänzelte Barfuss über das feuchte Gras, als sie auf einmal von einer leichten Brise erfasst und in die Luft gehoben wurde. Frei wie ein Vogel gleitete sie über die Felder Richtung See, wo sie an einem einsamen Plätzchen wieder sanft auf dem Boden aufsetzte. Die Luft war geschwängert von der Wärme der Sommers. Ein idealer Tag, um ein Bad zu nehmen. Sie zog sich aus und tauchte ein, ins kühle Nass des Sees. Schwerelos liess sie sich auf dem Wasser treiben und schaute in den wolkenlosen Himmel. 
Oma! Oma! Sie vernahm eine Kinderstimme und öffnete leicht benommen die Augen. Es war Moritz, ihr Enkel, der nach ihr gerufen hatte. "Oma, wo warst du? Du warst ja völlig abwesend." "Ich war in meinem Innenhof, mein Lieber." entgegnete Ingrid ihrem Enkel geheimnisvoll. "Innenhof? Oma, du sitzt im Sessel zu Hause. Und hier gibt es weit und breit keinen Innenhof." erklärte Moritz altklug. "Doch, hier drin." gab Ingrid lächelnd zur Antwort und zeigte mit der rechten Hand auf ihre Brust. "Er ist hier drin, in mir. Und ich kann ihn besuchen, wann immer mir danach ist." "Echt jetzt?" Moritz schaute seine Oma verwundert an. "Ja echt jetzt. Jeder Mensch hat in sich einen Ort, ich nenne ihn Innenhof, den du dir so bunt und fröhlich malen kannst, wie es dir gefällt. Du kannst dir das Meer vorstellen, die Berge, schöne Musik, eine Sandburg, egal was. Und du kannst diesen Ort besuchen, wann immer dir danach ist." "Cool! Habe ich diesen Innenhof auch in mir drin?" "Ja du hast ihn auch." "Und Mama und Papa?" "Ja, die haben ihn auch. Nur leider vergessen die grossen Leute manchmal, dass sie diesen Ort haben. Sie schauen andauernd auf ihre Handys oder Computer, anstatt zwischendurch mal diesen Innenhof zu besuchen. Aber das Gute daran ist, auch wenn wir diesen Innenhof für eine Weile vergessen, bleibt er für immer dort. Wir müssen uns nur wieder daran erinnern. Und wir können ihn jederzeit wieder besuchen und mit neuen Träumen füllen, egal wie lange wir fortgeblieben sind." Moritz schaute in die leuchtenden Augen seiner Oma und spürte, dass sie ihm soeben ein grosses Geheimnis anvertraut hatte. Er nahm sich fest vor, es nie zu vergessen. 

* * * * *

Inspiriert hat mich für diese Geschichte das Kinderbuch Anne und Pfirsich, welches ich vor einigen Jahren entdeckt habe. Ich finde es nach wie vor eines der schönsten Bücher die es gibt.

 Ich wünsche euch eine schöne Woche, auf dass ihr alle die Zeit und Musse findet, diesen besonderen Ort in euch ab und zu zu besuchen und ihn ja nicht zu vergessen. 

Liebe Grüsse Paula

*Unbezahlte Werbung da Namensnennung


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4 Liebe Worte

  1. ...wie schön, liebe Paula,
    deine Geschichte...und inspirierend, den eigenen Innenhof mal wieder zu besuchen,

    wünsche dir einen guten Tag,
    liebe Grüße Birgitt

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  2. Liebe Paula,
    oh ja,der Innenhof wird in der hektischen heutigen Zeit oft total vergessen...
    Aber ans Meer träume ich mich eigentlich jeden Tag:)
    Ganz liebe Montagsgrüße von
    Kristin

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  3. Liebe Paula,
    eine schöne Geschichte. Hoffentlich lesen das viele und erinnern sich an ihren Innenhof, den jeder hat und der in manchen Situationen unentbehrlich ist.
    Viele liebe Grüße, Anke

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  4. Oh, je, liebe Paula! In Ermangelung eines 'richtigen' Innenhofs sind meine Gedanken auch ein wenig in diese Richtung gegangen, aber nur ein wenig und eine Geschichte wollte daraus einfach keine entstehen. Ich setze also diese Woche wieder mal aus.
    Über deine Geschichte habe ich mich riesig gefreut! Sie hat mich angeregt, auch meinem inneren Gärtchen wieder etwas mehr Sorge zu tragen. Danke dir dafür!
    Herzlich, Monika

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Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.