Kurz.ge.schich.te No°30 {Ferien}

by - Juli 31, 2019


Heute gibt es mit viiiiiiel Verspätung eine Geschichte zum Stichwort Ferien. Bevor ich euch ein paar Bilder dazu zeige, dürft ihr in Worten in die ersten vier Wochen unserer Sommerferien tauchen.



F*E*R*I*E*N
Wie jedes Jahr wurde erst kurzfristig entschieden, wohin unsere Familien Reise mit dem VW Camper führen wird. Dem Wetterbericht entsprechend fuhren wir Anfangs Juli neugierig in die Westschweiz. Wir kannten diese Region bis anhin kaum. Einem wildfremden Mann ist es zu verdanken, dass wir den Kanton Jura entdeckt haben. Ein Schweizer, mit dichtem schwarzem Haar, dessen sonnengelber VW Bus mir gut in Erinnerung geblieben ist, hat mir vor einem Jahr diesen Tipp gegeben. Ich begegnete ihm letzten Sommer kurz beim Campen, wir kamen ins Gespräch und tauschten unsere Campingerfahrungen aus. Dabei verriet er mir den ein und anderen schönen Platz im Inn- und Ausland. Er erzählte mir freudig von einem Naturcamping in der Romandie. Dabei kam er so ins Schwärmen, dass mir der Ort gottlob im Gedächtnis blieb. An den Namen des freundlichen Herrn erinnere ich mich leider nicht mehr.
Mein Mann brauchte etwas Überzeugungskraft die Ferien in der Westschweiz zu verbringen, er hat es nicht so mit den französisch sprechenden Orten. Aber der Wetterbericht und meine Recherchen, was man dort alles unternehmen kann, haben ihn schliesslich überzeugt. Ich war voll gespannter Vorfreude und konnte es kaum erwarten, wie die Gegend und der Platz wohl aussehen.
Meine Bedenken, ob es uns dort gefällt, waren schnell verflogen. Der wildromantische Platz, inmitten eines Tannenwaldes, hatte schon nach der Einfahrt mein Herz im Sturm erobert. Weisse Tipis leuchteten in der Abendsonne, eine kleine Hütte aus Holz diente als Rezeption und eine bunte Wimpelkette zierte den gedeckten Picknickplatz vis-à-vis der Einfahrt. Es war an einem Samstagabend Ende Juni, als wir wie viele andere Erholungshungrige, erwartungsvoll dort ankamen. Für die erste Nacht platzierten wir unseren Bus auf einer Wiese zwischen Saisoncampern. Auf einem Rundgang zu Fuss hielten wir Ausschau nach anderen schönen Stellplätzen, denn am Sonntag sollte es wieder ruhiger werden auf dem Campingplatz. Wir loteten den Sonneneinfall aus, um den für uns perfekten Ort zu finden. Genug Schatten, damit die Nächte im schwarzen Bus nicht zur Sauna werden, genug Sonne für unsere Solarzelle, da der Camping keinen Strom bot.
Dann holten wir Stühle, Tisch und den Gaskocher aus dem Bus und bereiteten uns ein feines Abendessen zu. Kurz vor Sonnenuntergang unternahmen wir noch eine Velotour in die alpenähnliche Umgebung. Beim verlassen des Campingplatz überquerten wir einen Vieh Rost. Kurz darauf trafen wir auf freilaufende Kühe und die aus der Region bekannten Freiberger Pferde. Im goldenen Leuchten der Abendsonne wirkte die Szenerie wie aus einem Film.

Alles schien perfekt. Landschaftlich jedenfalls. Aber in den Seelen unsere Kinder tobten heftige Gewitter. Der Schulabschluss, der bevorstehende Klassenwechsel, die neue Lesebrille und die Verabschiedung der Freunde für eine längere Zeit, nagten wie Ungeziefer an den Nerven unserer beiden. Sie zankten sich pausenlos, bewarfen sich mit Schimpfwörtern und lagen sich ständig in den Haaren. Die Reibereien und die unablässigen Reklamationen über jeglichen Vorschlag, was wir gemeinsam unternehmen könnten, zogen sich einige Tage dahin. Mittlerweile standen ab und an auch die Nerven von uns Eltern blank. Bei einem Ausflug auf den Chasseral erklärten wir ihnen gar, das spitze Ding auf dem Hügel, eigentlich ein Sendeturm, sei eine Rakete zum Mond. Wir hätten dort einen Flug gebucht, für beide, one way. Da beide Lesen können, hatten sie unseren Schwindel bald entlarvt und dachten nicht im Geringsten daran, die Ferien wohlgesinnt mit uns zu verbringen. Wenn die Emotionen das Fass zum Überlaufen brachten, schickte ich meinen Mann grosszügig alleine auf eine Biketour, obwohl ich selber am Liebsten davon gelaufen wäre. Die ersten Tage schienen ein einziges Ringen, Ausloten, Schlichten, Verhandeln und Durchzwängen. Dennoch kehrte Tag für Tag mehr Ruhe ein. Und fast unmerklich zog der Sturm in den Herzen unserer Kinder vorbei und glättete die Wogen für den restlichen Verlauf unserer gemeinsamen Ferien. Wir wurden alle belohnt mit viel Sonnenschein, gemeinsamen Velotouren, einer spannenden Kanufahrt auf dem Doubs, einer Reitstunde und gemütlichen Zusammensein auf dem Campingplatz. Lagerfeuerstimmung, Sternenhimmel, Kuhgebimmel, Vogelzwitschern und Seenzauber versetzten meine Seele in Freudentaumel. Ich sog die Landschaft und die gemeinsame Zeit in mir auf wie ein Schwamm. Könnte es doch noch länger so weiter gehen. Aber nach einer Woche hiess es leider Abschied nehmen von dieser schönen Gegend, der Alltag rief. Mein Mann war im Anschluss eine Woche beruflich unterwegs, ich derweil alleine  mit den Kindern. Nasskaltes Wetter, Wäscheberge und abwechselnd kranke Kinder mit Magendarm Grippe prägten meine Zeit. Statt barfuss die Erde unter meinen Füssen zu spüren, hiess es wieder Socken anziehen. Vogelgezwitscher wurde abgelöst von Waschmaschinenrauschen und das Zischen des Gaskochers wich dem Surren des Dampfabzuges. Statt wild tobender Kinder, pflegte ich halblahme Zwerge. Die ersten Tage zu Hause waren eine wahre Herausforderung für mich. Die Zeit zwischen den vier Wänden zu verbringen, fiel mir wie jedes schwer, nach den luftigen Tagen im Freien. Aber es bestand Hoffnung auf Besserung.

In der dritten Woche hatte mein Mann nochmals Ferien. Wir packten ein weiteres mal unserem VW Bus und reservierten spontan einen Platz auf einem Camping in der Nähe. Es gäbe zwar keinen Schattenplatz mehr, hiess es in der Bestätigung der E-Mail, aber ich vertraute auf meine Visualisierung, dass jemand absagen würde und wir die Tage doch noch auf einem Lieblingsplatz verbringen dürfen. Und siehe da, tatsächlich hatte jemand storniert und wir erhielten ein lauschiges Plätzchen an einem kleinen Bach. Dort genossen wir vier weitere Tage mit Baden, Wandern und einem Bootsausflug. Der Zufall bescherte mir gar ein Wiedersehen mit einer Bekannten aus Kindertagen. Wir wuchsen in den 80er Jahren in der selben Strasse auf. Sie lebt mittlerweile viele Jahre in Genf, zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen. Auch sie hatten den Platz neben uns nur erhalten, weil jemand storniert hatte. Schicksal? Vielleicht.

Die vierte Woche bescherte der Schweiz und Europa eine regelrechte Hitzeperiode. Geplant waren ein paar Tage auf einem Camping im Unterland zu verbringen, zusammen mit meinen Nichten. Aber als Bergkind beeinträchtigen Temperaturen über dreissig Grad nicht nur mein Wohlbefinden, sondern auch meine Laune. Ich liebe den Sommer, ehrlich, mit lauen Abenden und einem kühlen Sprung ins Freibad oder einen See. Aber bei dreissig Grad und mehr hört der Spass einfach auf, sorry. Da träumt man plötzlich von Schnee und Minustemperaturen. Wie gut dass es nicht all zu weit weg einen Alpencamping gibt, auf dem man der Sommerhitze entfliehen kann. So packte ich ein drittes Mal unseren VW Bus und zog mit vier Kindern los Richtung Urnerland, vorbei an Frau Mo's zu Hause (sorry es war zu heiss für einen Boxenstopp ;-)) hinauf auf die Göscheneralp. Auf rund 1900 Metern über Meer erwartete uns ein besonderer Flecken Erde, ohne Strom, ohne Warmwasser und ohne Dusche. Dafür mit Ziegen, Bergen, Gletscher und angenehmen Temperaturen. Genau mein Stil, ähnlich meinem Lieblingsplatz aus der Kindheit. Damals verbrachte ich die Sommer auf der Alp, zusammen mit meinen Onkeln und Tanten. Das wird wohl auch der Grund sein, warum diese Alp, oberhalb von Göschenen, meine Seele ins Schwärmen bringt. Die vier Kinder brachten mich derweil immer wieder zum Schmunzeln. Vor allem meine Nichte, die mir mit grossen Augen und ernstem Gesichtsausdruck erklärte, es sei kein Wunder, wenn die Ziegen dort oben nicht auf ihren Älpler hören würden. Schliesslich verstehen die Ziegen kein Mensch'isch. :-)

Nun sind wir bereits in der fünften Woche der Sommerferien angelangt. In 10 Tagen beginnt die Schule wieder und ich bin nicht unglücklich darüber. Den Wecker vermisse ich zwar keineswegs, aber die Morgenstunden, wenn die Kids aus dem Haus sind, auf die freue ich mich wieder. Die Geschichte mit den Ferien ist also noch nicht zu Ende. Es darf noch eine Weile gespielt, gefaulenzt, gereist, gewandert, gezankt und geträumt werden.


* * * * *

Liebe Grüsse Paula

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2 Liebe Worte

  1. schön dein ferienbericht. die zickereien gehören "leider" dazu. irgendwann wird es weniger.
    obwohl ich im westen daheim bin kann ich deine bessere hälfte sehr gut verstehen. mir geht es ähnlich mit dem "französisch parlieren". ist aber auch nicht einfach diese sprache!
    zum glück haben "die" sls ausgleich dafür die schöne landschaft ;)!♥️lichst, marika

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  2. Wegen der Hitze kein Boxenstopp??? Was ist das denn bitteschön für ein Grund???
    Vielleicht ist dir das jetzt kein Trost, aber beim Lesen über die Streitereien tauchten da so Erinnerungen auf. Aus weiter Ferne... Es ist längst vergangen und vergessen, aber ich glaube es war öfter mal die Hölle!
    Alles in allem scheint ihr ja wirklich schöne und abwechslungsreiche Ferien verbracht zu haben!
    Herzlich, Monika

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Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.