Kurz.ge.schich.te N°8 {Alltag}

by - Januar 28, 2019


Willkommen zu einer neuen Woche Kurzgeschichten. Ich hoffe ihr seid gut in den Alltag gestartet, das fünfte und letzte Stichwort im Januar.



Erwachen. Aufstehen. Anziehen. Kinder wecken. Frühstück machen. Kinder zum Frühstück rufen. Nochmals rufen. Wieder rufen. Erneut rufen. Gemeinsam frühstücken. Pausenbrot bereit machen. Kinder verabschieden. Mann verabschieden. Frühstück wegräumen. Über Legosteine steigen. Fenster öffnen. Betten machen. Zähne putzten. Wäsche sortieren. Wäsche einwerfen. Fenster schliessen. Einkaufszettel schreiben. Schuhe und Jacke anziehen. Fahrrad rausholen. Ins Dorf fahren. Einkaufen. Nach Hause radeln. Fahrrad verstauen. Einkäufe nach oben tragen. Wäsche aus der Maschine nehmen. Wäsche aufhängen. Einkäufe auspacken. Einkäufe verstauen.

Willkommen im Hamsterrad. 

Aber halt, habe ich mir nicht vor langer Zeit vorgenommen, die Tage achtsam zu leben? Die Augenblicke mit offenem Geist wahrzunehmen?

Na dann, neuer Tag, neues Glück.

Eine Melodie aus dem Handy holt mich aus dem Schlaf. Ich bleibe einen Moment liegen, bevor ich aufstehe und mich ins Bad begebe. Der Anblick im Spiegel entlockt mir ein Schmunzeln. Ich versuche, die zerzausten Haare mit Bürste und Wasser zu bändigen, bevor ich mir das Gesicht wasche und die Haut mit einer Crème einsalbe. Dann öffne ich vorsichtig die Türen zu den Kinderzimmern und begrüße unsere Kinder mit einem leisen „guten Morgen". Sohnemann räkelt sich unter der Decke. Er liebt es, vor dem Aufstehen seine Ruhe zu haben. Tochterkind sieht mich verschlafen an. Ich setzte mich neben sie, streiche sanft über ihre Stirn und liebkose sie mit Küssen. Kitzle sie am Bauch und hebe mitfühlend ihre Kuscheltiere vom Boden auf. „Na ihr Lieben, hat sie euch wieder mal aus dem Bett geschmissen letzte Nacht? Ihr Armen, kommt her und lasst euch knuddeln." Tochterkind kichert beim Anblick, wie ich mit ihren wuscheligen Freunden spreche. Ich lege die Tiere zurück unter ihre warme Decke. Dann begebe ich mich in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Ich öffne das Fenster und schnaufe die eisig kalte Morgenluft ein. Obwohl es noch dunkel ist, erkenne ich das Versprechen des klaren Himmels und der gut sichtbaren Konturen des Bergpanoramas, auf einen traumhaft schönen Tag. Ich hole Butter, Marmelade und das selbst gebackene Brot hervor und decke den Tisch. Ziegenkäse für Tochterkind, geschnittene Orange für meinen Mann und Müsli für Sohnemann. Ich freue mich auf eine Tasse Tee und Kaffee. Zeit, nachzuschauen, ob die Kinder mittlerweile angezogen sind. Sie sitzen in ihrem Lego Chaos, gedanklich abgetaucht in fremde Galaxien. Ich bitte sie zum Frühstück. Herzmann kommt verschlafen aus dem Badezimmer und begrüßt mich mit einem Kuss. Wir umarmen uns und fragen gegenseitig, wie wir geschlafen haben. Zurück in der Küche lasse ich Kaffee in eine Tasse laufen und setze Tee auf. Ich betrachte den Spruch am Bändel des Beutels: Ziel des Lebens ist es, sich an jedem Moment zu erfreuen. Hat was. Ich rufe mehrmals nach den Kindern und nehme am Esstisch Platz. Im Minutentakt verhallen meine mahnenden Worte im Flur. „Lass sie, dann gehen sie halt mal ohne Frühstück aus dem Haus.", meint mein Mann gelassen. „Nein. Ich halte das Theater nicht aus, wenn sie ohne los müssen.", entgegne ich mittlerweile leicht gereizt. „Aber nur so lernen sie, dass es Konsequenzen hat.", argumentiert mein Mann. „Stimmt ja. Trotzdem. Ich habe am Morgen keine Nerven für sowas. Lieber nerve ich mich, dass sie nicht kommen." Ich werde mir der Widersprüchlichkeit meiner Worte bewusst und lache. „Okay. Geniessen wir stattdessen die Ruhe."
Kurze Zeit später erscheinen die Kinder endlich in der Küche und fangen an zu essen. Sohnemann erzählt freudig, was er Neues erfunden hat aus seinen Legosteinen. Tochterkind plappert derweil ohne Halt und vergisst darüber ihr Käsebrot. Ich mahne sie vorwärtszumachen, damit sie nicht zu spät kommt. Unterdessen stecke ich Reiswaffeln und Cracker in die Pausenbeutel und packe alles, samt Sportzeugs, in die Schultaschen. Jetzt heißt es aber ran, Zähne putzen und Schneeanzüge anziehen. Sie hassen die vielen Schichten und freuen sich wieder auf die wärmeren Temperaturen im Frühjahr. Nachdem sie angezogen sind, verabschiede ich sie mit einem Kuss. Sie treten in den dunklen, kalten Morgen, ich schaue ihnen nach, winke und warte bis sie die Straße überquert haben. Eines der Rituale, dass fest zu unserem Alltag gehört. Genauso wie das Aufwecken, der Blick aus dem Fenster, das Anschalten der Kaffeemaschine, der Kuss meines Mannes und das gemeinsame Essen.
Ich betrachte das Chaos auf dem Esstisch und die Krümel auf dem Boden. Unter der Sitzbank hat sich ein Haufen Staub breitgemacht. Ich räume den Tisch ab, schlendere in die Kinderzimmer, balanciere über Legosteine, öffne die Vorhänge und lasse frische Luft in die Räume strömen. Beim Einfall des Tageslichtes, offenbart sich das ganze Ausmaß der kindlichen Kreativität. Ich tappe zurück über Playmobil und schüttle die Bettdecken auf. Im Badezimmer wartet ein überfüllter Wäschekorb. Außerdem schreien Duschwanne und Waschbecken nach einer gründlichen Reinigung. Aber eins nach dem anderen. Ich sortiere die schmutzige Wäsche und werfe eine Ladung Buntwäsche in die Maschine, putze mir die Zähne, schließe die Fenster und hole meinen Freund Herby aus dem Schrank. Herby, unser Staubsauger, ist mein Held. Immer wieder schafft er es, unsere Wohnung von Staubfetzen, Krümeln und Haaren zu befreien. Nachdem ich die ganze Bude gesaugt habe, stelle ich ihn dankbar zurück. Bis zum nächsten Mal. Wird vermutlich nicht all zu lange dauern, bis wir seinen Dienst wieder in Anspruch nehmen.
Erleuchtet von der Morgensonne, glühen die Berggipfel um die Wette. Ich stelle mir vor, wie es wäre,  mit den Skiern einen Hang hinunter zu flitzen. Aber du solltest putzen und einkaufen gehen, meldet sich mein Ego zu Wort. Ich checke kurz den Inhalt des Kühlschrankes, mache mir Gedanken zum Mittagessen und lese auf dem Handy die Geschäfts E-Mails. Da wir nicht an einer lebensbedrohlichen Lebensmittelknappheit leiden und es keine wichtigen Nachrichten zu beantworten gibt, entschließe ich, den Vormittag auf der Piste zu verbringen. Ich lasse Duschwanne und Waschbecken links liegen, genauso wie die Büroarbeit und das Chaos in den Kinderzimmern. Eine halbe Stunde später fahre ich mit der Bahn auf den nahe gelegenen Berg, zusammen mit einer Handvoll anderer sonnenhungriger Menschen. Die meisten kenne ich. Es sind Pensionäre oder Mami’s, so wie ich. Im Januar ist unter der Woche wenig los, ein wahrer Kontrast zu den Touristenströmen der Feiertage. Auf dem Sessellift blicke ich um mich, bestaune die verschneite Natur und den blauen Himmel. Obwohl es bestimmt das 1000te Mal ist, genieße ich den Anblick voll Dankbarkeit. Die Sonne lacht mir ins Gesicht. Außer dem Rattern des alten Liftes, höre ich nichts. Frau Holle hat ihre Decken gestern großzügig ausgeschüttelt. Eine unberührte Schneedecke liegt vor mir. Ich ziehe rasante Spuren im Pulverschnee und jauchze vor Freude. Es fühlt sich an wie fliegen. Nach sechs genussvollen Abfahrten wird es Zeit nach Hause zu kehren. Ich blicke glücklich übers Tal, zum Schulhaus, wo meine Kinder unterrichtet werden, zum Friedhof, zum Berg gegenüber, wo mein Mann arbeitet, und schicke in Gedanken, allen einen Gruß. Durchflutet, von all den Glücksgefühlen dieses morgens, hänge ich zu Hause Wäsche auf, sortiere die Post und koche nebenbei das Mittagessen. Es bleibt sogar Zeit für eine Tasse Tee und eine Runde Instagram. Putzen werde ich nachmittags. Wieder lese ich den Zettel am Bändel des Teebeutels: Schätze dich selbst und ehre deine Seele. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ja, ich habe meine Seele genährt und wurde belohnt mit einer unbändigen Energie, den Alltag anzunehmen wie er ist, mit all seinen Höhen, Tiefen, Freuden und Herausforderungen. Ich bin kein Hamster. 
* * * * * 


Schon vor langer Zeit habe ich angefangen, meinen Alltag bewusster zu gestalten, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Mich immer wieder zu fragen, was meiner Seele gut tut und wie ich meinen Lieben eine Freude machen kann. Wenn mein Haushalt nicht perfekt ist, wird niemand kommen und mir die Arbeit abnehmen. Und es wird auch niemand sterben, wenn Wäscheständer rumstehen oder sich Staub breit macht. Stören tut es nur mich. Aber wenn ich gut zu meiner Seele schaue, habe ich auch immer wieder genug Energie, die Hausarbeit zügig zu erledigen. Und wer weiss, vielleicht habe ich ja irgendwann Roboter dafür. ;-)

Diese Woche ist unser Alltag ganz besonders. Die Schulkinder dürfen bis Freitag Skifahren, Langlaufen oder Snowboarden. Von der ersten bis dritten Klasse mit einem Skilehrer, ab der vierten Klasse mit den Lehrpersonen. Diese Skiwoche, wie sie hier heisst, geniessen die Schulkinder seit vielen Jahren. Es gab sie schon, als ich selbst noch zur Schule ging. Dafür haben die Kinder keine Sportferien, ausgenommen den Fasnachtsferien. Auf die Skiwoche freuen sich meist nicht nur die Kinder, sondern auch die Mamis. Skiwoche heisst eine Stunde länger schlafen am Morgen und kein Mittagessen kochen, sofern die Göttergatten nicht nach Hause kommen. Ich habe also fast die ganze Woche frei oder fast sowas wie Ferienfeeling. Ihr könnt euch sicher denken, wo ich meine Zeit verbringe? Schaut doch mal auf Instagram, dort findet ihr ein Filmchen, welches verrät, wo ich mich herumtreiben werde. Was würdet ihr anstellen mit den freien Stunden, wenn ihr eine Woche von neun Uhr morgens bis drei Uhr Nachmittags Zeit hättet?  

Da ich immer wieder gefragt werde, wie ich es schaffe, all meine Ideen und Termine unter einen Hut zu bringen, könnte ich euch bei Gelegenheit vielleicht verraten, wie ich meinen Alltag organisiere. Wär das was?

Liebe Grüsse Paula


Und hier noch die Schreibimpulse für den Monat Februar, die ich wiederum impulsiv notiert habe. Auf den ersten Blick scheinen sie ähnlich, aber auch hier gilt, sie frei zu interpretieren. Aus verkleiden wird vielleicht kleiden, aus auffallen vielleicht nur fallen, aus verbergen bergen und aus erkennen entsteht vielleicht eine Geschichte oder ein Gedicht zum Wort kennen. Ich bin gespannt, ob im Laufe des Jahres noch jemand anders als Frau Mo zu den Geschichten stösst. Bei ihr solltet ihr unbedingt mitlesen. Sie schreibt aus der Sichtweise ihrer Hunde. Das liest sich nicht nur amüsant, sondern regt auch immer wieder zum Nachdenken an. 



Inlinkz Link Party

You May Also Like

8 Liebe Worte

  1. Paule, ich freu mich auf deinen 12tel-Küchen-Blick... jetzt weiß ich ja auch dass du die Kurzgeschichten-Paula bist. War über Frau Mo schon hier. Ich hab Lust mitzumachen - ob ich die Umsetzung schaffe - mal schauen. Mein Kopf hat so viele Ideen, der Tag ist so kurz, mal schauen...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Eva, oh das wäre ja toll, wenn du dabei wärst. Muss ja kein literarisches Meisterwerk sein. Bei mir sind es meist Geschehnisse aus dem Leben, die ich irgendwie zu Papier bringe oder in Worte fasse, einfach weil ich Freude am Schreiben habe.

      Löschen
  2. Schon sehr verschieden, der Alltag von einem jungen Mami und von... ääähhh... naja, mir hald. Auf die Ski würde ich jedenfalls nicht steigen, wenn ich so viel Zeit hätte. Skifahren kann ich nämlich gar nicht. Ich würde mich da eher ins Nähkämmerchen verziehen oder eine Kurz.ge.schich-te schreiben, oder, wie jetzt dann, den spannenden Krimi weiterlesen.
    ♥ Monika

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Monika, herrlich, dass ich mit 45 als junges Mami wahrgenommen werde. ;-) Danke für die Blumen!

      Löschen
  3. Liebe Paula,
    es kommt eben immer darauf an,wie man es empfindet,das Hamsterrad,gell?
    Zum Alltag gehören aber auch schöne Rituale,wie das gemeinsame Frühstück und ein kleiner Knuddler zwischendurch von den Liebsten.
    Ärgern tut mich am meisten immer die Wäsche.Kaum war der Korb leer,könnte ich schon wieder waschen.Gerade jetzt im Winter ist das schlimm.
    Staubsaugen ist sozusagen ein Hobby von mir.Das mache ich für mein Leben gern :)
    Schön,wenn du deinen freien Tag zum Skifahren nutzen konntest!
    Ganz liebe Montagsgrüße von
    Kristin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Kristin, wir haben dank dem vielen Schnee im Winter viel weniger Wäsche, weil wir draussen immer Skianzüge tragen bei der Kälte. Jetzt weiss ich auch, warum ich so oft Zeit habe auf die Piste zu gehen :-)

      Löschen
  4. Meinen Chaoten - Alltag kann man nicht beschreiben, der ist immer anders. Aber das kommt meinem Anarcho - Naturell entgegen, das ich endlich als Pensionärin ausleben kann.
    Das Ski-Video ist wundervoll! Habe ich leider nie gelernt & beneide meine Enkelinnen, die das alle können ( bis auf die Kleinste ).
    Eine gute neue Woche!
    Astrid

    AntwortenLöschen
  5. Liebe Paula,
    Du hast echt Talent zum Geschichtenschreiben - mir ist das leider abhanden gekommen, ich brech mir schon jedes Mal einen Ast ab, wenn ich nur einen Post schreibe.
    Abfahrt-Ski habe ich nie gelernt. Es gab aber Zeiten, da konnte ich direkt ab Grundstück mit den Lang-Lauf-Skiern los, habe ich damals an arbeitsfreien Vormittagen gemacht, bis die Jungs wieder von der Schule zurück waren.
    Eigentlich hatte ich vor diese Woche meine Lang-Lauf-Skier zu entstauben, seit meinem Fahrradunfall mit sehr langwieriger Schulterverletzung stand ich nicht mehr drauf, doch nun habe ich einen schmerzenden Elefantenfuss.
    viele Grüße Margot, die Judika

    AntwortenLöschen

Herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar liebe Worte da zu lassen.